Rathenau  
 
 
         
 

Von Heinz Dürr,
Vorstandsvorsitzender Walther Rathenau Gesellschaft e.V.

Walther Rathenau – Unternehmer,
Politiker, Schriftsteller und Philosoph

Walther Rathenau war zunächst der Sohn eines berühmten Vaters, eines Wirtschaftsführers, und wurde ein Homme de lettres, ein philosophischer Publizist, der mit moralischen, wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Entwürfen in der Öffentlichkeit wirken wollte. Er war schließlich – besonders am Ende seines Lebens – Politiker, der erste Staatsmann der jungen Weimarer Republik; vielleicht neben Gustav Stresemann der einzige, den sie überhaupt hatte. Gerade die vielen herausragenden Facetten eines in sich keineswegs widerspruchsfreien Lebens sind es, die die meisten von uns besonders anziehen.

Auch mich hat Walther Rathenau schon immer beeindruckt. Er entsprach meinem Idealbild des Unternehmers: unternehmerisch, kreativ, gebildet, künstlerisch. In meiner Zeit als AEG-Chef habe ich mich intensiver mit seinen Schriften beschäftigt und schnell festgestellt, dass Rathenaus berühmter Satz „Die Wirtschaft ist unser Schicksal“ meist aus dem Zusammenhang gerissen wird und in dieser verkürzten Form nicht seinem Denken entspricht. Rathenau wollte den Satz nicht so verstanden wissen, dass die Gesellschaft, also die Menschen, sich der Wirtschaft zu unterwerfen hätten.
Er sah eine prosperierende Wirtschaft als unverzichtbare Voraussetzung für eine humane Gesellschaft. Aber er sah die Wirtschaft in einer dienenden Rolle. Rathenau war ein Seher. Seher können oft nicht rational und allgemein verständlich beschreiben, was sie meinen. Sie bedürfen einer Erklärung oder „Übersetzung“.

Deshalb betreiben wir in der Walther Rathenau Gesellschaft die Edition der Rathenau’schen Schriften und hoffen, mit solchen „Übersetzungen“ auch für unsere Zeit Impulse zu geben und Diskussionen anzustoßen. Die Gesellschaft stellt sich in ihrer Satzung die Aufgabe, das Vermächtnis von Walther Rathenau zu pflegen. Eine ihrer Zielsetzungen ist die Publizierung seines Gesamtwerkes. Mit der deutschen Einheit ist ein weiterer Schwerpunkt hinzugekommen: Die Rathenau- Gedenkstätte im Schloss Freienwalde.

In das Schloss hatte er sich zurückgezogen, um sich zu entspannen, aber auch um in die Zukunft zu denken. Rathenau hat immer nachhaltig gedacht. Er hatte auch klare Wertvorstellungen jenseits des Wirtschaftlichen. Eine Betrachtungsweise, die heute sehr aktuell scheint, wenn man sich all die Auswüchse ansieht, die in unserer Gesellschaft geschehen. Als Unternehmer fasziniert mich dieser Aspekt seines Denkens ganz besonders: Für ihn war der gesamte Bereich der Wirtschaft ein ethischer Bereich. Er postulierte den moralischen
Gemeinschaftscharakter der wirtschaftlichen Welt.

„Verbrauch ist nicht Privatsache“, schrieb er 1916 in seinem Buch „Von kommenden Dingen“, „sondern Sache der Gemeinschaft, Sache des Staates, der Sittlichkeit und der Menschheit.“ Und er ging noch weiter: „Der Sinn aller Erdenwirtschaft ist die Erzeugung idealer Werte. Deshalb ist das Opfer materieller Güter, das sie erfordern, nicht Verbrauchsaufwand, sondern endgültige Erfüllung der Bestimmung. Deshalb scheiden alle echten Werte der Kultur aus der ökonomischen Erwägung, sie sind inkommensurabel mit Gut und Leben, sie sind wertfrei, niemals zu teuer erkauft, es sei denn im Tausche gegen höhere Idealitäten, sind also nicht Mittel und Rechnungsgrößen, sondern Wesenseinheiten aus eigenem Recht.“

Walther Rathenau hat im Schloss Freienwalde diesen Satz zum Programm gemacht und das kulturelle Erbe des Schlosses auch für nachfolgende Generationen bewahrt. Jetzt ist im Schloss eine Rathenau-Gedenkstätte beheimatet, damit das Wirken des Unternehmers, Politikers, Schriftstellers und Philosophen Rathenau nicht in Vergessenheit gerät. Wir von der Walther Rathenau Gesellschaft freuen uns, dass die Besucher im facettenreichen Nachlass Rathenaus hier und jetzt Vorbilder für die Gegenwart oder Erklärungsschlüssel für die Vergangenheit suchen können.


   
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Schloss Freienwalde

Preussisches Königsschloss

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Die Medusa im Treppenhaus