Rathenau  
 
 
         
 

Dr. Reinhard Schmook
Geschäftsführer der Walther-Rathenau-Stift GmbH

Walther Rathenau und Schloss Freienwalde

Schloss Freienwalde ist ein ehemaliges preußisches Königsschloss und ein Erinnerungsort an den Industriellen, Zeitkritiker, Schriftsteller und Politiker Walther Rathenau (1867–1922). Es wurde 1798/99 von David Gilly als Sommerwitwensitz für die Königin Friederike Luise von Preußen erbaut. Der in der preußischen Architekturgeschichte erste königliche Villenbau entsprach der Lebensauffassung der Königin und war vorwiegend im Louis-seize-Stil eingerichtet. In dem über 11 ha großen Schlossgarten am Rande der Freienwalder Altstadt liegen neben dem Schloss selbst der restaurierte Theaterpavillon der Königin aus dem 18. Jahrhundert und das alte Kastellanshaus. In der unteren Schlossetage führt eine ständige Ausstellung in die Geschichte des Schlosses Freienwalde ein, das zwischen 2002 und 2007 denkmalgerecht in der Fassung der Rathenau-Zeit restauriert wurde. Die obere Etage ist als Gedenkstätte für Walther Rathenau, zuletzt Außenminister der Weimarer Republik, eingerichtet.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts kam es zu einer weit verbreiteten Rückbesinnung auf die Wurzeln des bürgerlichen Geistes, der Aufklärung und des Klassizismus. Zu der kleinen Gruppe von Kunstfreunden und Intellektuellen, die aus der Großstadt Berlin in die märkische Umgebung fuhren, um die herbe Landschaft mit ihren schlichten Kulturzeugnissen neu zu entdecken, gehörte auch Walther Rathenau. Sein Interesse galt vor allem dem in Vergessenheit geratenen Hohenzollernschlösschen Freienwalde, das er im Jahre 1909 von der preußischen Hofkammer für 262 500 Mark erwarb. So wenig wie das fast gleichzeitig errichtete Haus in Berlin-Grunewald wurde Schloss Freienwalde zu einem behaglich-intimen Refugium, sondern weit mehr Ausdruck des Kunstideals seines Besitzers. Rathenaus Liebe zum etwas spröden aber unpathetischen Frühklassizismus entsprach seiner nach Bändigung und rationaler Beherrschung strebenden Persönlichkeit, die eigene Hemmungen und öffentliche Diskriminierung als Jude durch die Ästhetisierung des persönlichen Lebensstils auszugleichen versuchte.

Rathenau nahm in Freienwalde über zehn Jahre seinen Sommeraufenthalt, nachdem er das Äußere des Schlosses durch einen von dorischen Säulen getragenen halbrunden Altan an der östlichen Schmalseite und eine den klassizistischen Charakter betonende Fassaden­gestaltung verändert hatte. Das Innere des Hauses
versuchte er im Stile der Erbauerin Friederike Luise zu restaurieren und zu ergänzen.

In Freienwalde besuchten ihn seine engsten Mitarbeiter und literarischen Freunde, mit denen er regen Austausch über Fragen der Politik, Wirtschaft und Kunst pflegte. Mehrere Male waren Gerhart Hauptmann und Carl Sternheim mit ihren Familien zu Gast. Rathenau selbst nutzte die Stille des Landsitzes für seine umfangreiche schriftstellerische Tätigkeit.

Im Jahre 1918 brachte er seinen Besitz zum Zwecke der Förderung von Wissenschaft und Kultur in die von ihm gegründete „Walther-Rathenau-Stift gGmbH“ ein, deren Anteile er selbst behielt. 1922 wurde Rathenau von rechtsgerichteten Verschwörern ermordet. Die Erben, seine Schwester Edith Andreae und deren vier Töchter, schenkten 1926 Schloss und Park Freienwalde dem damaligen Landkreis Oberbarnim und schufen so die Voraussetzung dafür, „hier eine Stätte der Erinnerung an die altpreußische Kultur um die Wende des 18. Jahrhunderts und an Walther Rathenau“ einzurichten.

Seit der Machtübernahme der Nazis bis zum Ende der DDR erinnerte in dem 1945 ausgeplünderten Schloss nichts mehr an Walther Rathenau.
Erst 1991 erfolgte durch den damaligen Landkreis Bad Freienwalde und die Walther Rathenau Gesellschaft e.V. die Neugründung der Walther-Rathenau-Stift GmbH sowie die Einrichtung einer ständigen Rathenau-Gedenkstätte.

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Als die Berliner Straße noch am Schloss vorbeiführte Situation bis 1869

   
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David Gilly, der Architekt. Kupferstich von S. Halle nach einer Zeichnung von Daniel Chodowiecki, 1796
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3 Grundrisse der Schloss-Etagen nach 1800
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Schloss von der Straßenseite. Stahlstich von
C. Frommel nach einer Zeichnung von Carl Blechen, 1831
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Das Schloss im Jahre 2009